Foto von H. J. Rietberg
Zitat von Kurt Tucholsky (1890 – 1935),
Journalist, Satiriker, Schriftsteller
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Geschichten von Festtagsgeläut
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Weihnachtlicher Spaziergang im Wald
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Der Mensch schlägt Bäume, spaltet Astwerk, stapelt Stämme zu Haufen. Der Wald, das Holz, jetzt alles mit Struktur.
Schon im November wurden Tannen aus dem Wald geholt und in ein grünes Netz gesteckt. Nun nadeln ihre Astetagen im Haus.
Im Wald ist der Mensch gut aufgestellt, nach außen gehen Augen, Nase. Das automatisch, läuft er doch den Weg zum Holz.
Steht er dann am toten Holz, zählt er die Jahresringe. Locker, schnell bringt er Pi mal Daumen ein paar Jahrtausende zusammen.
Dann und wie von selbst füllt sich sein Zahlenkopf mit Menschen. Das liegt am Ort. War hier doch Krieg; zwei davon zum Greifen nah’, die meisten lang’ vorbei.
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Heute sollte man bloß nicht an so was Dunkles denken! Sind wir doch in einer heil’gen Zeit.
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Immer noch hämmert‘s mit voller Leuchtkraft-Pulle. Am Jahresende will man nur Glanz und Gloria. Darunter Hoffnung auf ein dickes Wunder von Frieden, Glück und Zufriedenheit.
Wie sieht denn so was aus? Man hört’s! Mit schönem Singsang kommt es aus uns Menschen raus.
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Auch im Winterwald ist man von all dem durchdrungen. Zu Hause macht man sich dann wieder klein.
Und wie sieht das aus? Das Menschengesicht macht unscharfe Konturen. Die Augen matt wattiert, der Mund läuft schmal, die Nase tropft. Nach einem Weilchen dann vertrauter Glanz mit rosaroten Wangen.
Und kann man mit so was noch ein Stückchen weitergeh’n? Ja, Menschen freuen sich. Denn sie wissen, nur ein paar Wochen später kommt rote Pappe auf die Nase drauf.
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Hören:
Axel Ruckaberle (Hrsg.): Weihnachten mit Tucholsky
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