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Man sollte den großen Einfluss der Großeltern auf die Entwicklung ihrer Enkelkinder nicht kleinreden!

Kurzgeschichte

Mein Opa

Er war bis zuletzt schlank und hatte den federnden Gang eines Sportlers. Im hohen Greisenalter sah man ihn auch an kalten Tagen im Wasser. Er hatte ein unverwüstliches Naturell, physisch und psychisch. Kein einziges Mal habe ich ihn schlecht gelaunt erlebt. Die häufigen Umerziehungsversuchen der Frauen hat er weggeblasen, weggelacht oder weggesungen. Er war sich selber stets treu.
Er war ein Frauenmann, hat Frauen sehr geliebt, sich aber sofort zurückgezogen, wenn nur sie Interesse an ihm hatten. Man konnte ihm weder beikommen noch für irgend etwas verantwortlich machen. Seine Ohren waren dem gemeinen Leben gegenüber auf Durchzug gestellt. Er wollte nur Lebensgenießer und Lebenskünstler sein.
Man konnte schnell der Meinung sein, er sei im Leben zu nichts nutze und müsse nichts Ernsthaftes tun. Da irrt man sich aber gewaltig! Vielleicht hatte mein Opa auch Neider. Hatte er doch für alles Personal. Sogar einen Chauffeur. Ganz selten hat er sich ans Steuer gesetzt, viel lieber saß er auf dem Beifahrersitz und hat sich der Natur erfreut.
Ich war sein kleines Weiblein, seine Prinzessen, die ihn lieb hatte und an ihn glaubte. Das habe ich auch ausgedrückt!

Nach Opas Geschichten war ich süchtig, wild wurde ich bei den ausgedachte. Der Großvater konnte doch so gut erzählen! Es konnte so viel passieren. Ich immer eine Rolle übernehmen, ihn anfeuern, Fragen stellen, einen Handlungsdreh vorschlagen, zu allem singen und tanzen. Mein Opa liebte mein Engagement, es befeuerte ihn.
Seine Essensgeschichten waren mir am liebsten. Essen wurden grundsätzlich geklaut und in Hosen mit weiten Beinen, die man unten zuschnüren konnte, transportiert. Wie gefährlich doch das Leben war! Wie geschickt man doch sein musste! Und erst wie mutig! Es gab so viele hohe Zäune, riesige Berge und gefährlich tiefes Wasser! Mein Opa läutete das Ende der Geschichte immer gleich ein: kurz vor dem sicheren Ziel zerriss die Hose! Aber welch ein Spaß, wenn das Essen auf die Erde krachte. In dem grün-grauen, ekelhaften Brei war doch so viel, was ich überhaupt nicht mochte.
Manchmal kommen alte Bilder hoch: mein Opa auf dem Stuhl, ich auf dem Tisch, unser laute Dackel auf der Erde. Seine Tochter, meine Mutter, händeringend und verzweifelt daneben.
Bis zuletzt war ich Opas kleine Prinzessin. Wie hat er mich doch durch die Luft gewirbelt, liebevoll geküsst und geherzt! Wie oft hat er mir dabei leise ins Ohr geflüstert und behauptet, aus mir würde mal eine große und schöne Pinzessin werden! Diese Botschaft tat immer gut und stärkte mein Selbstwertgefühl. Ich bin ihm dafür dankbar! Seine Geschichten waren doch der Schatz meiner Geheimnisse. Und das bis heute!